Bruno Maderna und Darmstadt
On 21 April 2020 the italian composer and conductor Bruno Maderna (1929–1973) would have turned 100. After his studies at the conservatories of Venice, Milan and Rome, Maderna became a pupil of Gian Francesco Malipiero (composition) and Hermann Scherchen (conducting). In 1949, his „Fantasia per due pianoforti (B.A.C.H.-Variationen)“ was premiered at the Darmstadt International Summer Course for New Music, which Maderna attended for the first time in 1951 and has been closely involved in over a period of almost 20 years. Until 1973, 18 of his works were played there, 12 of them world premieres.
In the IMD archive there are many photos, recordings of concerts and lectures, or letters that document Maderna’s major role in the history of the Darmstadt Summer Course.
From 1952 to 1968, Bruno Maderna conducted over 40 concerts of the Darmstadt Summer Course, with more than 120 works in total, which was more than any other conductor. He premiered over 50 compositions in Darmstadt as a conductor.
As a tutor, Maderna made his first appearance in 1954 and the year after, in 1955, he led an “International Young Composers’ Workgroup” together with Pierre Boulez and Hans Werner Henze:
In 1955, Maderna and Luciano Berio founded the electronic studio (Studio di Fonologia Musicale) of the italian broadcasting company RAI in Milan. One year later in Darmstadt, he reported on their work:
Luciano Berio and I were able to found a studio for electronic music at Radio Milan. The favourable conditions lie, above all, in the contact between the technical engineers and acoustic engineers and us, the musicians. Our technical staff is indeed so open-minded that they are interested more and more in our musical questions, and we, in return, are approaching technology. We do not rely on what we’ve experienced and learnt so far, but we are starting from scratch. Transferring our present craft methods to the new medium is pointless and leads to contradictions. Technical and musical imagination should go together in our work to serve the one thought, to open up the new sound world to the musician, to control it, for being able to communicate our ideas to the other people more and more clearly.”
“Luciano Berio und ich haben bei Radio Mailand ein Studio für elektronische Musik gründen können. Die günstigen Voraussetzungen dafür sind vor allem durch den Kontakt zwischen den Technikern und den Akustikern und uns Musikern gegeben. Tatsächlich sind unsere technischen Mitarbeiter so aufgeschlossen, daß sie sich mehr und mehr für unsere musikalischen Fragen interessieren, und wir gehen dafür den Weg zur Technik. Wir verlassen uns nicht auf das, was wir bisher erfahren und gelernt haben, sondern wir fangen ganz von vorne an. Denn die Übertragung unserer bisherigen handwerklichen Methoden in das neue Medium ist sinnlos und führt zu Widersprüchen. Technische und musikalische Phantasie sollen in unserer Arbeit gemeinsame Wege gehen, um dem einen Gedanken zu dienen, dem Musiker die neue Klangwelt zu erschließen, sie zu beherrschen, um unsere Vorstellungen den anderen Menschen immer klarer mitteilen zu können.” (Gesprächsrunde über “Kompositorische Möglichkeiten der elektronischen Musik”, 20. Juli 1956, IMD-M-6184)
“Die Begegnung mit den elektronischen Mitteln bewegte einen wirklichen Umsturz meiner eigenen Beziehung zur musikalischen Klangmaterie. Hier muss sich sozusagen die intellektuelle Metabolik des Komponisten ganz neu einstellen. Beim instrumentalen Komponieren geht die Entwicklung der Gedanken meistens linear voran, eben weil es sich um eine gedankliche Entwicklung handelt, die nicht in ständigem Kontakt mit der Materie steht. Im Gegenteil – die Tatsache, dass man im elektronischen Studio die Vorstellung von Klangstrukturen gleich praktisch ausprobieren kann, dass durch ständige Manipulation die so entwickelten materiellen Gebilde ständig verändern und erneuern kann und endlich, dass man sich so einen Vorrat an musikalischen Teilelementen auf Seite legen kann, stellt den Musiker vor eine neue Lage. Die Zeit stellt sich ihm jetzt als das Feld einer großen Anzahl von Permutations-, von ordnungsmöglichkeiten dieses hervorgebrachten Materials [dar]. Wir finden zwar jetzt die ersten Ansätze zu einem solchen Denken und zu einem solchen Verfahren auch in der instrumentalen Musik; es wäre sinnlos zu bestreiten [darüber zu streiten], ob die elektronische Erfahrung eine solche Erneuerung ausgelöst hat, oder ob sie vielmehr schons elbst das Resultat einer Entwicklung in dieser Richtung war. Unbestreitbar bleibt, dass sie die Richtigkeit einer solchen Konzeption zu erweisen ermöglicht, nämlich, dass eine Struktur nicht nur eine, sondern, je nach ihrer Stellung im Ganzen, eine große Anzahl von Funktionen auf sich nehmen kann. Das Hören selbst von elektronischen Stücken oder von instrumentalen Stücken, die vom selben Denken ausgehen, ist dann von dieser Wirklichkeit gezeichnet. Man hört nicht mehr in eine lineare Zeit hinein, sondern es kommen viele unabhängige Zeitprojektionen in das Bewußtsein, die sich nicht mehr als eine eindimensionale Logik darstellen lassen. Und daran liegt vielleicht noch mehr als an der Erneuerung der klanglichen Erscheinung, das [dem] Unerhörteste[n] der elektronischen Musik – das, wodurch der unerfahrene Hörer am meisten aus der Fassung gebracht wird.
Als ich anfing, mit elektronischen Mitteln zu komponieren, befürchtete ich ganz besonders, diese Mittel auf eine nicht adäquate Weise zu gebrauchen. Um diese Furcht zu überwinden, überließ ich mich lieber meiner musikalischen Intuition als einem rationalen Vorurteil.” (Vortrag “Kompositorische Erfahrungen mit der elektronischen Musik”, gehalten am 26. Juli 1957 in einer gemeinsamen Veranstaltung mit Henri Pousseur, IMD-M-6347)
Besides his extraordinary involvement as a conductor and as a tutor of composition and conducting classes in Darmstadt, he became director of the Kranichsteiner Kammerensemble. Founded in 1961, it was the first ensemble specializing in contemporary music and consisted of musicians from Germany, Italy, France and UK and was directed by Bruno Maderna together with Pierre Boulez.
The dutch conductor Lucas Vis had been working as Maderna’s assistant for several years, also with a conducting class in Darmstadt in 1969. He keeps good memories of Bruno Maderna:
“An incredible person! He was all at the same time: incredibly talented as a composer, as a conductor, as a conductor, as a man. He immediatly understood the atmosphere: for instance when we’re talking about the psychology of an orchestra, when he needed to get angry, the friendliness and to give confidence. An incredible talent for music: He could sight-read and conduct the most difficult scores and understand them immediately. A man with lots of humor, with LOTS of humor! One could incredibly laugh with him.
At the same time everybody thought: How is it possible? He actually lived thee lives at the same time. He slept too short, he ate too much, he drank too much, he was like this [belly gesture], he smoked like crazy. […] And, yes, he died when he was only 53.”
“Ein unglaublicher Mensch! Er war alles gleichzeitig: wahnsinnig begabt, als Komponist, als Dirigent, als Mensch. Er hat sofort die Atmosphäre verstanden: Wenn wir jetzt sprechen von Psychologie mit Orchester, auch wann er mal böse werden muss; die Freundlichkeit, das Vertrauen geben. Ein unglaubliches Talent mit Musik: Er konnte die schwierigsten Partituren vom Blatt dirigieren und sofort verstehen. Ein Mensch mit sehr viel Humor, mit sehr viel Humor! Man konnte wahnsinnig mit ihm lachen.
Gleichzeitig hat jeder gedacht: Wie ist es möglich? Er lebte eigentlich drei Leben gleichzeitig. Er schlief viel zu kurz, er aß zuviel, er trank zuviel, er war so [Geste vor dem Bauch], er rauchte wie ein Verrückter. […] Ja, und schon mit 53 ist er gestorben.”
“I think a lot of him with scores, with music, I always think: What would he say with his knowledge of the whole music, of old music, of Renaissance, of New Music, of Romantic and Classics…? You have to imagine: I came from the conservatory, where everything had been rather old-fashioned, it was about proper work. You had to work very long on certain things, and exactly like this and this and this. It was school, school, school. And then I got to know Bruno Maderna and suddenly the doors and windows opened: Ahhh, this is what the world is like!”
“Ich denke oft an ihn bei Partituren, bei Musik, da denke ich eigentlich immer: Was würde er dazu sagen, mit seiner Kenntnis der ganzen Musik, von alter Musik, von Renaissance, von Neuer Musik, von Romantik und Klassik…? Man muss sich vorstellen: Ich kam von der Musikhochschule, da war es altmodisch, tüchtige Arbeit. Man musste sehr lange an bestimmten Sachen arbeiten, ganz genau so, und so, und so. Das war Schule, Schule, Schule, Schule. Und dann habe ich Bruno Maderna kennen gelernt und plötzlich gingen die Türen auf, die Fenster gingen auf: Ahhh, so ist das in der Welt!”
From 1962 until his death in 1973, Bruno Maderna had been living in Darmstadt, where he is also buried on the Old Cemetery (Alter Friedhof).