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Gillian Bibby

Kranichsteiner Musikpreis für Komposition 1972

Die neuseeländische Komponistin und Pianistin Gillian Bibby (1945–2023) kam nach einem Musikstudium in ihrem Heimatland 1971 mit einem DAAD-Stipendium nach Berlin. 1972 besuchte sie die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik, wo sie im selben Jahr mit dem renommierten Kranichsteiner Musikpreis für Komposition ausgezeichnet wurde. Der Preis war bis dahin nur an Interpret:innen Neuer Musik verliehen worden. Ab 1972 bis heute wird er auch für Komposition vergeben. Neben Bibby wurden 1972 die Komponisten Helmut Cromm und Martin Gellhorn ausgezeichnet. Die Auszeichnung Bibbys ist aber auch deswegen bemerkenswert, weil die Musik von Komponistinnen damals in den Konzertprogrammen – bei den Darmstädter Ferienkursen und auch anderswo – nur vereinzelt vertreten war.

Interview mit Gillian Bibby in englischer Sprache aus dem Jahr 2016, realisiert vom neuseeländischen Musikinformationszentrum SOUNZ. Ab etwa 7:00 spricht Bibby über ihre Zeit in Berlin, Köln und Darmstadt.
Anmeldung von Gillian Bibby zu den Darmstädter Ferienkursen 1972 (IMD-A100398-201574-14)
Anmeldung von Gillian Bibby zu den Darmstädter Ferienkursen 1972 (IMD-A100398-201574-14)

Leider gibt es im Archiv der Darmstädter Ferienkurse keine Fotografie, auf der Gillian Bibby identifiziert ist.

Bei den Ferienkursen 1972 lernte Gillian Bibby Karlheinz Stockhausen kennen und ging kurz darauf nach Köln, um am elektronischen Studio des WDR mit ihm zusammenzuarbeiten. Stockhausen, der in jenen Jahren regelmäßig Dozent der Ferienkurse war, unterstützte auch Bibbys Bewerbung um ein Stipendium für die Teilnahme an den Darmstädter Ferienkursen 1974. Eine Zeitlang begleitete die junge Komponistin Stockhausen auf seinen Konzerttourneen durch Europa.

1974 war sie erneut in Darmstadt und hielt eine Lecture bei den Ferienkursen. Auch davon existiert keine Fotografie, allerdings ist sie durch eine Tonaufnahme dokumentiert (IMD-M-1974MC001-01), die im Archiv des IMD angehört werden kann.

Nach ihrer Rückkehr nach Neuseeland arbeitete Bibby als Dozentin für Komposition, Klavier und Musikgeschichte, als Musikkritikerin und Herausgeberin von Notenausgaben, vor allem von neuseeländischer Musik für Klavier. Nachdem sie in den 1970er Jahren elektronische Stücke, Kammermusik in verschiedenen Besetzungen bis hin zum Kammerorchester, auch ein Streichquartett, eine Kinderoper sowie raumbezogene Stücke komponiert hatte, erstanden nach dieser Zeit vor allem Werke für Klavier, darunter mehrere Zyklen, die die Klänge von neuseeländischen Vögeln einbezogen.

Gillian Bibby starb am 7. August 2023 in Wellington.

Gillian Bibbys Stück Musik für drei und einige Hörer (1971) [später betitelt Musik für drei Hörer] für Stimme, Clavichord und Schlagzeug wurde bei den Ferienkursen 1972 mit dem Kranichsteiner Musikpreis ausgezeichnet.

Aufgeführt worden war es am 5. August 1972 im Rahmen eines Studioabends in der Darmstädter Georg-Büchner-Schule. Dabei wirkte Gillian Bibby am Chlavichord selbst mit. Christoph Caskel, Schlagzeug-Dozent der Ferienkurse, und Martin Gellhorn teilten sich in den Percussion-Part und die Gesangsstimme übernahm David Johnson. Johnson, eigentlich Komponist, koordinierte im selben Jahr gemeinsam mit Helmut Lachenmann ein „Arbeitsstudio junger Komponisten“.

Ein Mitschnitt der Aufführung ist im IMD-Archiv erhalten (IMD-M-11036).

Pressemitteilung 1972 (IMD-A100094-203062-17)
Gillian Bibby spricht über ihr Stück "Musik für drei Hörer", für welches sie 1972 in Darmstadt den Kranichsteiner Musikpreis erhalten hatte
Gillian Bibby: "Musik für drei Hörer" (Video einer Aufführung mit Gillian Bibby, Roger Wilson und Thomas Guldborg mit eingeblendeter Partitur)
© ️IMD-Archiv
© ️IMD-Archiv
© ️IMD-Archiv