READER: ARDITTI STRING TRIOS
13.08.2023
Brian Ferneyhough: String Trio (1995)
Gespräch zwischen Helmut Lachenmann und Michael Rebhahn
Helmut Lachenmann: Mes Adieux. Streichtrio Nr. 2 (2021/22)
Arditti Quartet
Brian Ferneyhough: String Trio
Im Gegensatz zum Streichquartett hat die Gattung des Trios nie eine klare Tradition entwickelt. Hervorgegangen ist es eher aus der der barocken Triosonate und nicht aus der dynamischen Entwicklungslinie der klassischen Sonaten-Allegro Form hervorgegangen ist, hat es dazu tendiert, hinsichtlich seiner eigenen spezifischen Identität seltsam unsicher zu bleiben. Im 19. Jahrhundert war das Jahrhunderts war das Streichtrio keine häufig anzutreffende Kombination, und trotz einer Reihe von Schlüsselwerken von führenden Komponisten unseres Jahrhunderts (Schönberg, Webern) ist es ein Außenseiter im Korpus der Kammermusikformationen.
Mein eigenes Streichtrio versucht, dieser Linie Rechnung zu tragen, insbesondere in Bezug auf die Mehrdeutigkeit des Ausdrucksduktus Rechnung zu tragen, der unruhig zwischen dem serenadenhaften und dem dichteren linearen linearen Entwicklungsansatz, der üblicherweise mit dem Medium Streichquartett assoziiert wird. Es gibt vier Haupt Abschnitte, von denen der erste drei aufeinanderfolgende Soli (Bratsche, Violine, Cello) von unterschiedlichem, leicht erkennbarem Charakter identifizierbarem Charakter, auf die jeweils unmittelbar eine eigene „Verstärkung“ in allen drei Instrumenten folgt; der zweite ist im Grunde eine Reihe von „Variationen über ein abwesendes Thema“ in gleichbleibend schnellem Tempo, auf die das dritte, ein „Largo desolato“, das auf mehrfachen Abtastungen der einzigen, statischen Akkordformation basiert, die in der Solobratsche zu Beginn des Werks zu hören ist, einen starken Kontrast bildet. Der abschließende Hauptteil könnte vielleicht als eine verkürzte Kombination von Scherzo und Rondo angesehen werden, die mit zahlreichen Glissandi im hohen Register beginnt und in den tieferen Regionen immer heftiger und polyphoner wird.
Diese Hauptsegmente werden durch vier kurze „Interventions“-Texturen unterbrochen, die im Laufe des Werks allmählich die Verantwortung für die Substanz des Diskurses übernehmen – und zwar so sehr, dass die letzte Aussage von „Intervention I“ am Ende als eigenständiger, expansiver und zerbrechlicher Satz zu hören ist, der die statische Akkordstruktur, die zuvor zu hören war, allmählich nach unten transponiert, bis sie im unteren Bereich des Ensembles verschwindet. Akkordstruktur nach unten transponiert, bis sie aus dem unteren Bereich des Ensembles verschwindet. Charakteristisch für Largo desolato‘ ist die konsequente Verwendung von Achtel-Mikrointervallen. Mikrointervallen.
– Brian Ferneyhough
Helmut Lachenmann: Mes Adieux. Streichtrio Nr. 2
Einführungen des Komponisten ins soeben Geschaffene, nicht nur fürs Programmheft, sollten sich selbst erkennen als Irreführungen, zumal bei Unkenntnis des Gegenübers. Ein Komponist hat seiner Umgebung, gar der Gesellschaft, nichts zu sagen. Er hat, kreativ geladen, im Blick auf seine Visionen etwas zu schaffen. Er ist ein Medium. Und das Geschaffene wird welchem Hörenden auch immer, nicht zuletzt auch dem Komponisten selbst, mehr „sagen“, als dieser ahnt.
Wenn es denn sein soll: mein zweites Streichtrio ist – wie jede meiner Kompositionen – Resultat des Versuchs, die eigene seit 1969 entwickelte Kompositionspraxis einer „Musique concrète instrumentale“ weiter zu öffnen, ohne ihren Ansatz zu vergessen. Dieser hat immer wieder auf andere Weise die körperliche Energie des Klingenden ins Zentrum der musikalischen Wahrnehmung gerückt und dabei den Musikbegriff selbst, gleichsam „ernüchternd“, aufs Spiel gesetzt. In meinen letzten Arbeiten ging es darum, auf diese Weise nicht ins Unbekannte, sondern ins Bekannte vorzustoßen. Hören wird zum Beobachten, auch zum Beobachten seiner selbst, bei der Begegnung, oft auch beim irritierenden Zusammenprall der eigenen Struktur mit der Struktur des Werks, im neuen Streichtrio als Begegnung mit durchaus Vertrautem und in neuem Licht zugleich fremd Gewordenem und so „heiter“ sich Verabschiedendem. (Nochmal also, wie im zuvor geschriebenen Hörnerkonzert: „My Melodies“ und zugleich „Mes Adieux“.)
– Helmut Lachenmann