READER: MOUNTAIN & MAIDEN
28.07.2025

Steven Daverson: Simulacrum (2025) – 15′
für Saxofon und Live-Elektronik
Uraufführung
Huihui Cheng: Disrupted Reflection (2025) – 13′
für Saxofon und Live-Elektronik
Uraufführung
Elena Rykova: Amber Blackcurrant Time (2024) – 13′
für Saxofon und Live-Elektronik
Patrick Stadler (Saxofon)
—
Georgia Koumará: Wolpertinger für Solo Synthesizer (2020) – 16′
Mountain & Maiden (DEU / USA / IND, 2019) – 24′
Ein Film von Shmuel Hoffman & Anton von Heiseler mit einer Komposition von Sarah Nemtsov für Keyboard solo (mit verstärktem Klavier und Stimme)
Małgorzata Walentynowicz (Klavier, Keyboard & Synthesizer)

SIMULACRUM
Simulacrum: Der zarte Blick des Flötenspielers weckt die gleißende Erinnerung an den Schöpfer
Simulacrum weist ein höheres Maß an Improvisation und performativer Freiheit auf als alle meine bisherigen Werke und markiert damit eine mögliche neue Richtung. Die modulare Struktur des Stücks entwickelt sich mit jeder Aufführung weiter – seine Form, Harmonie, seine poetischen Untertitel und die elektronische Bearbeitung verändern sich je nach Datum und Uhrzeit der Aufführung. Diese Transformationen werden von einem speziell entwickelten System in Max gesteuert und entfalten sich über einen Zyklus von fünfzehn Jahren. Im Laufe der Zeit verdunkelt und zerfällt das musikalische Material allmählich, bevor es schließlich in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Jede Aufführung wird zu einer kurzen Passage innerhalb einer viel längeren Installation – ein flüchtiger Blick auf ein Werk, das sich langsam und kontinuierlich wandelt. Wie eine Beschwörungsformel ruft der Interpret die elektronischen Klänge hervor, formt sie, reagiert auf sie und lässt sie wieder verklingen.
Das Stück wurde für Patrick Stadler geschrieben und ist ihm gewidmet. Es wird großzügig von der Hinrichsen-Stiftung gefördert.
DISRUPTED REFLECTION
Disrupted Reflection – für Saxofon solo und Elektronik – untersucht den Begriff der akustischen Reflexion. Überlappende Schichten gemischter Klänge verwischen die Grenze zwischen Original, Erweiterung und Transformation. Durch diese Interaktion bewegt sich der Klang unvorhersehbar zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Impuls und Reaktion. Echte und reflektierte Klänge vemischen sich und verwischen den Raum zwischen ihnen. Keine Reflexion kehrt jemals unverändert zurück.
Huihui Cheng

AMBER BLACKCURRANT TIME
Geschrieben für und in enger Zusammenarbeit mit Patrick Stadler.
„Das folgende Gedicht kann als Programmtext dienen, dazu die erste Seite der Partitur, die Sie gerne online veröffentlichen können.“
Elena Rykova


WOLPERTINGER
Der Wolpertinger ist ein bayerisches Fabelwesen, dessen genauer Ursprung unklar ist. Es wird als Mischwesen in unterschiedlichen Formen beschrieben und abgebildet, zum Beispiel als Eichhörnchen mit Entenschnabel oder als Hase mit Entenflügeln. Das Stück für die virtuelle Version des Minimoog Synthesizers handelt auf eine ähnliche Art und Weise von genau dieser Mischung zwischen den erweiterten Klangfarben-Möglichkeiten, die die digitale Version bietet (z.B. Polyphonie) und den Funktionen des Original-Instruments, z.B die Oszillatoren und Filter.
Georgia Koumará

MOUNTAIN & MAIDEN
Mountain & Maiden ist ein experimenteller Dokumentarfilm von Shmuel Hoffman und Anton von Heiseler. Er begleitet einen Tag im Leben von Aspiya, einem 10-jährigen Mädchen, das mit seiner Familie in der Nähe der größten Mülldeponie Südasiens in Neu-Delhi lebt. Obwohl sie inmitten einer regelrechten Müllbergkette arbeitet, vermittelt Aspiyas Stimme nicht zuletzt Widerstandskraft, Hoffnung und Würde.
Der Film enthält keinen Originalton, er ist ein Stummfilm für das 21. Jahrhundert. Anstelle des klassischen Stummfilmklaviers basiert die Filmmusik auf mehreren Keyboards – darunter ein „Stummfilm-Keyboard“ mit 88 Samples. Diese Samples wurden aus Original-Audiomaterial erstellt, das von den Filmemachern zur Verfügung gestellt wurde. Ich habe damit gearbeitet, indem ich Frequenzen extrahiert, sie übereinander gelegt und elektronische Texturen, Fieldrecordings und neue Aufnahmen hinzugefügt habe. Jede Taste enthält eine Miniaturkomposition.
Zusätzlich gibt es ein verstärktes Klavier und ein zweites Keyboard mit Sprach-Samples von Aspiya, kombiniert mit einer simultanen (asynchronen und unmöglichen) Live-Übersetzung. Das Ziel war nie, Aspiyas Welt nachzuahmen oder zu reproduzieren – das wäre vermessen –, sondern vielmehr, unsere eigene Wahrnehmung und Distanz als Teil der Hörerfahrung offenzulegen. Das Tropfen eines Wasserhahns in Neu-Delhi wird immer wieder vom weißen Rauschen des Wassers in meiner eigenen Wohnung übertönt. Eine langsame Kamerafahrt über die Mülldeponie wird von einer strengen Fuge begleitet, die auf dem Sample-Keyboard gespielt wird, wo sich alle Klänge drehen und kollidieren.
Die Konzertkulisse ist absurd: ein Flügel vor einem Müllberg.
Ein Berg von Keyboards. Computern. Lautsprechern. Eine Bühne.
Die Filmemacher hatten mich auch deswegen darum gebeten, eine Komposition zu schreiben, damit sie über das übliche Dokumentarformat hinausgehen können. Der Film ist visuell poetisch. Menschliche Silhouetten vor außergewöhnlichem Licht, treibendem Nebel. Aber dieser Nebel ist nicht nur Atmosphäre – er ist giftig. Die Menschen dort bewegen sich ohne jeglichen Schutz. 40 % der Kinder leiden an Atemwegserkrankungen. Das Wasser ist verseucht. In gewisser Weise landet auch unser Müll dort – und unsere Verantwortung. Und doch handelt Mountain & Maiden auch von der menschlichen Sehnsucht nach Glück – und davon, wie selbst unter den härtesten Bedingungen die eigene Lebenseinstellung das Leben von innen heraus erhellen kann, mit Kraft und Anmut.
Sarah Nemtsov
Eine Anmerkung der Filmemacher:
Alle Einnahmen aus diesem Film gehen direkt an Aspiya und ihre Familie.
„Jeder einzelne soll sich sagen: Für mich ist die Welt erschaffen worden, daher bin ich mit verantwortlich.“
Babylonischer Talmud –
aus Sanhedrin 7


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