READER: GHOST TRANCE MUSIC
Ictus / Rosas / Braxton
Musik von Anthony Braxton
Kobe Van Cauwenberghe (Musikalische Leitung)
Marie Goudot, Michaël Pomero, Sophia Dinkel, Mark Lorimer (Creative Movement Team)
Rosas:
Sophia Dinkel
Marie Goudot
Mark Lorimer
Michaël Pomero
Ictus:
Nabou Claerhout (Posaune)
Niels Van Heertum (Euphonium)
Kobe Van Cauwenberghe (E-Gitarre)
Jean-Luc Plouvier (Keyboard)
Gäste / Guests:
Katherine Young (Fagott)
Andreas Borregaard (Akkordeon)
Produziert von Ictus & Rosas
mit Unterstützung von Tax Shelter der belgischen Föderalregierung
Mit freundlicher Unterstützung der Ernst von Siemens Musikstiftung
In dem Projekt Ghost Trance Music begegnen sich in Darmstadt die Musiker:innen des belgischen Ictus Ensembles und Tänzer:innen aus Anne Teresa De Keersmaekers Tanzkompanie Rosas in einer außergewöhnlichen Versuchsanordnung rund um die Idee der “Toolbox”. Denn sowohl die Partituren Anthony Braxtons als auch die Arbeitsweise von De Keersmaeker lassen sich als Werkzeugkasten begreifen: Im Fall von Braxtons Ghost Trance Music können die Interpret:innen verschiedene Teile auswählen und überlagern, Improvisationen hinzufügen und sich gegenseitig überraschen. Die Musik muss jedes Mal anders sein. Ghost Trance ist eine einzigartige Plattform für Musiker:innen mit unterschiedlichem Hintergrund, wo der Beitrag jedes Einzelnen den Verlauf und die gemeinsame Erfahrung der Aufführung bestimmt. Die traditionelle Hierarchie zwischen Komponist, Partitur, Dirigent und Interpret wird untergraben. Inspiriert ist Braxtons Werkkorpus von indigenen Geistertanz-Ritualen (Ghost Dances), bei denen verschiedene Stämme zusammenkamen, um in stundenlangen Kreistänzen Kontakt zu ihren Vorfahren aufzunehmen.
Anne Teresa De Keersmaekers “Rosas-Toolbox”, die seit 2022 entsteht, dient nicht der passiven Archivierung der Arbeit der Kompanie, sondern entwickelt ein Konzept der kreativen Dokumentation: eine Bestandsaufnahme des von De Keersmaeker und Rosas entwickelten choreografischen Wörterbuchs, der formalen Werkzeuge, der wiederkehrenden Kombinationsprozesse usw. – und macht sie für alle zugänglich, damit sie in der Gegenwart erfahrbar werden.
Beide Künstler:innen zielen nicht darauf ab, menschliche Energien zu mäßigen, unser Verhältnis zur Kunst zu rationalisieren oder starre Kategorien zu schaffen, sondern im Gegenteil, die menschliche Kreativität durch kombinatorische Strategien zu beflügeln. Provisorische Kategorien zu erfinden, ihre Landkarte zu zeichnen, ihnen metaphorische oder spielerische Namen zu geben, sie miteinander zu verbinden, neue Verfahren zu erproben und schließlich die Gegenwart in ihnen wie in einem Tierkreis zu interpretieren: das ist das große Spiel, das beide Künstler teilen.
Rosas-Website zum Projekt Erica Dicker über Ghost Trance Music
ROSAS TOOLBOX
Im Jahr 2022 vertraute Anne Teresa De Keersmaeker den Rosas-Tänzer:innen Marie Goudot und Michaël Pomero ein „Rosas Toolbox“-Labor an. Anstatt die Arbeit der Kompagnie passiv zu archivieren, entsteht mit der „Rosas-Toolbox“ ein Konzept kreativer Dokumentation: eine Bestandsaufnahme des von De Keersmaeker und Rosas entwickelten choreografischen Wörterbuchs, der formalen Werkzeuge, der wiederkehrenden kombinatorischen Prozesse usw. – für alle zugänglich gemacht, in der Gegenwart erfahrbar.
Trotz der unterschiedlichen ästhetischen Qualitäten haben Braxtons und De Keersmaekers „Superformalismen“ vieles gemeinsam: Beide zielen nicht darauf ab, menschliche Energien zu mäßigen, unser Verhältnis zur Kunst zu rationalisieren oder starre Kategorien zu schaffen – sondern im Gegenteil: die menschliche Kreativität soll durch kombinatorische Strategien in Gang gebracht werden. Es geht darum, vorläufige Kategorien zu erfinden, eine Karte davon zeichnen, ihnen metaphorische oder spielerische Namen zu geben, sie miteinander zu verbinden, neue Operationen zu testen und schließlich die Gegenwart in ihnen wie in einem Tierkreis zu interpretieren: Das ist das Spiel, das große Spiel, das beide Künstler:innen miteinander teilen .
GHOST TRANCE MUSIC
In den frühen 90er-Jahren besuchte Anthony Braxton mehrere Kurse über Musik der amerikanischen Ureinwohner an der Wesleyan University, wo er auch lehrte. Im Speziellen konzentrierten sich die Kurse auf ein postkoloniales Ritual des späten 19. Jahrhunderts namens Ghost Dance, bei dem verschiedene indigene Stämme zusammenkamen, um in stundenlangen Kreistänzen oder „Ghost Dances“ Kontakt mit ihren Vorfahren aufzunehmen. Diese Erfahrungen hatten großen Einfluss auf Braxton und waren eine wichtige Inspiration für die spätere Ghost-Trance-Musik.
Erica Dicker (Geigerin)Ghost Trance Music ist eine musikalische Super-Autobahn – eine Metastraße –, die darauf ausgelegt ist, die Spieler:innen auf den Fahrersitz zu setzen, ihre Absichten in die Navigation der Aufführung einzubeziehen und die Struktur der Aufführung selbst zu bestimmen.
Anthony BraxtonHabt Spaß mit diesem Material und hängt nicht zu sehr an einer Sache fest! [...] Missbraucht dieses Material nicht, nur um „richtige“ Darbietungen ohne Geist oder Spaß zu erzielen! [...] Jede Aufführung muss etwas Einzigartiges haben. [... Abschließend empfehle ich, so wenig Proben wie möglich zu machen, damit alle etwas nervös werden. (!)“